Die wohl smarteste Art der Zusammenarbeit im Bau
Der Baubranche haftet der Ruf an, kontraproduktiv und ineffizient zu sein. Sie ist gespickt von Streitigkeiten und scheint eine tief verwurzelte, beinahe schon kulturelle Abneigung gegen Vertrauen und Transparenz zu fördern. Dies ist insofern erstaunlich, als das dieser Umstand den allermeisten Protagonisten durchaus bewusst ist und niemand von Ihnen würde von sich behaupten, er würde diesen Zustand willentlich herbeiführen und/oder unterstützen. Und dennoch ist die Bauwelt wie sie ist. Woran liegt es also und was könnte ein Ausweg aus diesem Dilemma sein?
„Die Verträge, die im Bau geschlossen werden, gleichen einer Kriegserklärung“
Im Mittelpunkt aller Bauprojekte steht der Vertrag zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Genauer betrachtet sogar viele Verträge, zwischen vielen Auftraggebern und noch viel mehr Auftragnehmern. Investoren, Bauherren, Architekten, Projektsteuerer, Planer, Generalunternehmer, Subunternehmer, Hersteller, Lieferanten, usw. bilden ein buntes Potpourri an Protagonisten, mit jeweils eignen Zielen und Interessen. Da jedes Bauprojekt für sich ein relativ komplexes Unterfangen ist, hat die Branche im Laufe ihrer Entwicklung immer ausgefeiltere Verträge gefordert und hervorgebracht. Verträge, die meiner Meinung nach vorrangig dazu gedacht sind, sich selbst möglichst schadlos zu halten und in eine gute Position, den anderen Beteiligten gegenüber zu bringen, die aber weniger darauf abzielen, gemeinsam ein bestimmtes Ziel zu erreichen, nämlich ein rundum gelungenes Bauvorhaben abzuschließen. In einem Gespräch zu dem Thema hörte ich unlängst der Satz: „Die Verträge, die im Bau geschlossen werden, gleichen einer Kriegserklärung“ und so martialisch diese Aussage auch klingt, gänzlich von der Hand zu weisen, ist sie wohl nicht. Was also tun?
Ich habe in den vergangenen Jahren verschiedenste Ideen gesehen, diesem Problem entgegenzutreten. Ein oft verfolgter Ansatz dabei: Ein Lösungsanbieter fokussiert sich auf einen, von ihm orchestrierten Prozess und leitet die Beteiligten durch diesen hindurch. So gibt es Tools, die sich um das Zahlungsmanagement kümmern, welche fürs Mängelmanagement, welche zur Planverwaltung, usw.. Sie wirken in sich durchdacht und verbessern den Status Quo rund ums Bauen sehr. Ich für mich bin mir nur nicht sicher, ob dies der Weisheit letzter Schluss sein sollte. Man behandelt hier die Symptome, die Ursachen bleiben jedoch unangetastet. Und die Ursachen liegen meiner Meinung nach ganz klar in den geschlossenen Verträgen. Wie wäre es also, Verträge anders zu denken? …sie nicht als „Kriegserklärung“ zu gestalten und zu verstehen, bei denen es am Ende immer einen Sieger und einen Besiegten geben muss, sondern eher als Bedienungs- oder besser noch Spielanleitung, für ein gemeinsames Miteinander innerhalb eines Projekts? Ein spannender und vielversprechender Ansatz in diese Richtung sind Mehrparteienverträge. Deren Popularität steigt aber typisch für die Branche; es ist zu erwarten, dass es sich noch eine Weile ziehen wird, bis sich diese Art der Vertragsgestaltung als ein neuer Standard etablieren kann. Warum also die Zeit nicht schon mal nutzen, um einen weiteren, interessanten Ansatz zu verfolgen.
Jedes erfolgreiche Bauprojekt hängt von einem präzisen, effizienten Prozess ab, der gewährleistet, dass alle Aufgaben rechtzeitig und effektiv erledigt werden. Manchmal kann der Prozess aufgrund von überbordendem Papierkram und schlechter Kommunikation zwischen den Beteiligten ins Stocken geraten. Moderne Technologien können dazu beitragen, den Prozess zu rationalisieren. Zwei gute Beispiele dafür sind Blockchain und Smart Contracts.
Was ist Blockchain?
Die meisten Menschen verbinden die Blockchain-Technologie mit Kryptowährungen, dem Hype um Bitcoin und Co. sei Dank. Aber die Technologie steht für noch so viel mehr und man täte ihr Unrecht, würde man Sie nur als Treiber für hoch spekulative Kurskapriolen betrachten. Mit Ihrer Fähigkeit Werte, Zustände, und Eigenschaften sicher zu speichern, kann sie auch in der Baubranche einen wertvollen Beitrag leisten. Die Blockchain funktioniert wie ein dezentrales Log- bzw. Hauptbuch, in dem alle Benutzer Transaktionen aufzeichnen können; unveränderbar, transparent und sicher. Neben der Rationalisierung und Verbesserung der Effizienz kann die Blockchain-Technologie auch die Grundlage für die Verwendung von Smart Contracts bilden. Smart Contracts, also intelligente Verträge, sind elektronische Vereinbarung mit einer selbstausführenden Komponente. Wie ein Vertrag enthält ein Smart Contract Bestimmungen und Bedingungen zwischen den beteiligten Parteien, wird aber durch die automatische Ausführung oder Durchsetzung bestimmter Bestimmungen ergänzt. Ein Smart Contract arbeitet mit einer "Wenn/Dann"-Funktion, die diese Technologie so außerordentlich wertvoll macht. Im Allgemeinen gilt: Wenn X eintritt, dann wird als nächstes Y passieren. Mithilfe eines Algorithmus werden die Vertragsbestimmungen im Vertrag verschlüsselt. Der Vertrag wird dann in der Blockchain gespeichert. Wenn bestimmte Bedingungen oder Ereignisse eintreten, wird der Smart Contract die Bedingungen automatisch und autonom ausführen.
Vorteile für die Baubranche
Viele am Bau Beteiligte stehen unter dem Druck, den Bauprozess zu rationalisieren, und Smart Contacts können bei diesem Vorhaben helfen. Ein mögliches Szenario unter vielen könnte es sein: sie sammeln mit Hilfe von Apps, Sensoren und Kameras Informationen von der Baustelle. Die Technologie erkennt Veränderungen, die automatisch andere Aktionen auslösen. So könnten beispielsweise Waagen und Sensoren die Vorräte auf einer Baustelle überwachen. Sinkt der Bestand auf ein bestimmtes Niveau, löst die Technologie das System aus, um den Lieferanten zu kontaktieren. Eine die Baustelle überwachende Kamera könnte erkennen, wann der Lieferant geliefert hat, was das System veranlasst, eine automatisierte Zahlung zu tätigen. Zahlungen könnten auch durch den Abschluss anderer Aktivitäten ausgelöst werden, z. B. durch eine Inspektion oder eine Begehung. Alle auf diese Art und Weise aggregierten Daten wären für Auftragnehmer und Kunden ohne weiteres und vor allem ohne Kontrollinstanz einsehbar, sie könnten den Projektfortschritt bewerten und basierend darauf ihre, ihnen geeignet erscheinenden, unternehmerischen Entscheidungen treffen.
Noch befindet sich die Technologie in der Entwicklung, aber die Branche kann davon profitieren, wenn sie die Fortschritte eben dieser Entwicklung beobachtet und nicht die Augen davor verschließt. Eine Investition in eine solch fortschrittliche Technologie mag riskant erscheinen, aber sie zu vermeiden, könnte sich als nachteilig erweisen. Die Gesellschaft hat sich daran gewöhnt, dass alle Arten von Informationen jederzeit verfügbar sind, und das gilt auch für Bauunternehmen, Lieferanten und Kunden. Die Möglichkeit, ein Projekt in Echtzeit zu verfolgen, Verträge transparent, fair und smart zu gestalten, kann daher für alle Beteiligten ein Vorteil sein.